
„Ich würde nie einen Berater engagieren!“
„Ich würde nie einen Berater engagieren!“ Diesen Satz höre ich oft von Kleinunternehmern. Fast jeder meiner Kunden hat ihn so formuliert im Vorfeld. Ich kann diese Haltung nachvollziehen, obwohl man mich selbst Unternehmensberater nennen könnte.
Während die Umsätze der Beratungsunternehmen von Jahr zu Jahr steigen, wird oft nicht mehr hinterfragt, welchen Nutzen traditionelle Beratung wirklich bringt. Sie schadet häufig mehr als sie nützt – warum? Das erläutere ich in diesem Artikel.
Das klassische Beratungsmodell – „fundamentally broken“?
Der Psychologe Markus Väth hat im Juni einen beachtenswerten Artikel in der ManagerSeminare veröffentlicht. Die Kernaussage des Artikels: Laut Väth sei das klassische Beratungsmodell im Kern „fundamentally broken“. Mit dem klassischen Ansatz von entwickelten Tools wird rational analysiert, Lösungsszenarien werden entworfen und – natürlich – wird viel Hilfe bei der Umsetzung durch vorrangig Hochschulabsolventen angeboten. So sieht das Väth. Er führt einige zentrale Punkte an, die sehr nachdenklich stimmen und die klassische Beratung kritisch hinterfragen:
Benchmarking
Unternehmer haben das Urbedürfnis, sich mit anderen Wettbewerbern zu vergleichen. Daher bieten Beratungen sehr gern ihre Analyse-Tools und Blaupausen als Lösung an. Das Problem ist jedoch, dass diese Betrachtungen rückwärtsgewandt sind und in einer VUCA-Welt häufig nicht mehr helfen.
Was, wenn die meisten Wettbewerber momentan einen zentralen Fehler machen? Noch problematischer ist der Tunnelblick, der entsteht, wenn man sich an den Blaupausen orientiert und scheinbar abwegige Learnings übersieht.
Nicht zuletzt sagt ein erfolgreicher Benchmark in einer bestimmten Dimension nichts darüber aus, wie der Erfolg entstanden ist, denn die Ursachen bleiben oft unterbelichtet und sind bei jedem Unternehmen sehr vielfältig.
Verhinderung von organisationalem Lernen
Unternehmer holen Berater häufig an Bord, um eine schnelle und risikolose Lösung für ein Problem zu erreichen. Dabei riskieren sie langfristig, zu verlernen, mit eigenen Ressourcen das Problem zu lösen. Wer auf lange Sicht erfolgreich sein möchte, muss eigene Erfahrungen machen und reflektieren, wie wir es eigentlich aus der Erwachsenenbildung wissen.
Bei diesem Argument kann ich Väth aus vollstem Herzen zustimmen. Gerade in Konzernen erlebe ich oft folgendes Szenario: Inkompetente Projektleiter bauen ihre Karriere auf dem Managen von Beraterschaaren auf, machen dadurch keine eigenen Erfahrungen bei der Implementierung und hinterlassen beim Verlassen des Unternehmens eine hilflose Einheit. Dieses Team ist wieder auf teure Berater angewiesen, will es nicht in eine Katastrophe schlittern.
Richtige Lösungen für falsche Probleme
Gerade Eigentümer von Unternehmen sind fest davon überzeugt, dass sie ein Problem hervorragend erfasst haben, wenn sie einen Berater engagieren, der ein Spezialist in einem gewissen Bereich ist. Doch selbst der beste Berater hilft nicht weiter, wenn die Diagnose der Ursache in einem komplexen Wirkungsgeflecht falsch ausfällt. So manchem Berater wird es egal sein und dann wird eben effizient, jedoch nicht effektiv in Bereichen herumgedoktert, welche nicht die Ursache für das empfundene Problem sind.
Mangelnde Objektivität
Jeder Berater hat seine eigene Sicht auf die Welt und eine davon geprägte Beratungsideologie. Während Fachkompetenz und -wissen in der Akquisition von Projekten hervorgehoben werden, darf man nicht davon ausgehen, dass ein Berater generell objektiv an die Sache herangeht. Gerade Jungberater, die häufig nicht einmal in Unternehmen gearbeitet haben, bringen oft ein von der Hochschule und ihrem Beratungsunternehmen geprägtes Welt- und Menschenbild mit. Aufgrund der fehlenden Lebenserfahrung ist diese Weltsicht in der Komplexität oft noch ausbaufähig. Damit sind sie die Jungberater nicht objektiv, sondern handeln bei ihren Empfehlungen nach von ihrem Weltbild und gemäß der eigenen Beratungsideologie zu eindimensional.
Absicherung von mutlosen Führungskräften
Eine Ausgeburt, die Väth nicht nennt, die ich jedoch regelmäßig beobachte, ist die Unart, Berater für Reports und Analysen einzusetzen, die am Ende das bestätigen sollen, was eine Führungskraft bereits analysiert hat. Auf diese Weise sichert man sich nach außen ab und am Ende sind die Berater schuld, wenn eine Initiative scheitert. Wer sich doppelt absichern möchte, involviert sogar zwei Beratungsunternehmen. Dadurch hat noch kein Unternehmen langfristig etwas gelernt, sondern aufgrund mangelnder Courage einer Führungskraft viel Geld verbrannt. Diese Vorgehensweise ist kurz- und langfristig schädlich für ein Unternehmen.
Und nun?
Was sagt uns das als Jung- und Kleinunternehmer nun zum Thema Beratung?
Es ist unstrittig, dass natürliche Phänomene wie Groupthink und andere psychologische Phänomene dafür sorgen können, dass ganze Unternehmen unreflektiert in Krisen geraten. Es geht also darum, Unternehmer dabei zu begleiten, Dinge neu zu sehen, zu reflektieren und unterwegs durch das Erleben zu lernen. Da Unternehmer ihre Stärken und Schwächen in das relativ kleine System spiegeln, gilt es bei der Analyse der Probleme immer beim Unternehmer anzusetzen.
Qualitative Ursachenforschung ist der Schlüssel
Als qualitativer Wissenschaftler habe ich gelernt, offene Fragen ohne Vorannahmen zu stellen. Das nutze ich beispielsweise, wenn ich Mitarbeiter interviewe, ohne eine Schablone anzulegen. So können häufig auch Gründe für ein Problem entdeckt werden, die vorher niemand gesehen hat. Qualitative Ursachenforschung bedeutet zudem, aus einer Haltung des Nichtwissens heraus zu agieren und nicht zu schnell Pauschalratschläge zu erteilen. In Diskussionen mit der Geschäftsleitung erlebe ich häufig, dass die Geschäftsführung durch mein Hinterfragen bessere Lösungen entwickelt, als ich sie hätte bieten können. In solchen Kontexten helfe ich immer wieder durch das Anbieten von konkreten Theorien, welche dabei unterstützen, Sachverhalte aus einem anderen Licht zu sehen oder einen neuen Rahmen für eine Entscheidung zu erarbeiten.
Jedes Unternehmen ist einmalig
Jedes Unternehmen ist eine einmalige Mischung aus einem Umfeld mit seinen Chancen sowie den Stärken und Schwächen der Akteure, darauf zu reagieren. Ein Berater darf sich nicht anmaßen, all zu schnell schnell begriffen zu haben, wo die Probleme eines komplexen Systems verborgen sind.
Wegbegleitung statt klassischer Beratung
Hier greift meine Philosophie des Wegbegleiters recht erfolgreich bei meinen Kunden. Wir lernen unterwegs gemeinsam, entwickeln neue Lösungen, die vorher keiner auf dem Schirm hatte und sorgen dafür, dass das Unternehmen mit seinen internen Ressourcen befähigt wird, sich weiterzuentwickeln. Der Wegbegleiter ist dabei jemand, der dafür sorgt, dass es neue Denkimpulse gibt – durch theoretisches Wissen und Erfahrung – und dass ausreichend Energie zur Umsetzung von Vorhaben in die Organisation fließt. Denn Trägheit in der Umsetzung, die einem intensiven Tagesgeschäft geschuldet ist, ist der Hauptgrund, warum Initiativen und Veränderungen in Unternehmen scheitern.